Paul Mühsam, geboren 17. Juli 1876 in Brandenburg an der Havel; gestorben 11. März 1960 in Jerusalem, war Jurist, Übersetzer und nahmhafter Schriftsteller der jüdisch-christlichen Verständugung. Viele werden Erich Mühsam kennen, den "wildzerzausten" Anarchisten, Lyriker, Dramatiker und Essayisten,1919 Mitglied der Bayr. Räterepublik, der im KZ Oranienburg mißhandelt von den Nazis umgebracht wurde. Paul Mühsam war sein Vetter aus Lübeck. Er ist fast ein Gegenbild seines berühmten Verwandten. Geboren wurde er am 17. Juli 1876 in Brandenburg/Havel als Sohn eines jüdischen Schuhhändlers. Er besuchte das altsprachliche-humanistische Gymnasium in Zittau, studierte Jura in Freiburg und Berlin, promovierte im Jahre 1900 zum Dr. jur. und ließ sich im Jahre 1905 in Görlitz nieder. Im Februar 1909 eröffnete er in Dresden seine eigene Kanzlei. Mühsam arbeitete während des Ersten Weltkrieges in Berlin beim Roten Kreuz. Er kehrte Ende 1918 nach Görlitz zurück und begann Bücher über die Zustände der Bevölkerung zu schreiben. 1920 wurde Paul Mühsam als Notar vereidigt, und im März 1930 trat er in die internationale Künstlervereinigung „Porza“ *ein. Dort arbeitete er von 1932 bis 1933 als Übersetzer verschiedener Bücher. Mit seiner Frau Irma Kaufmann und den drei Töchtern Else, Lotte und Hilde war er ein angesehener, zur gehobenen Klasse der Görlitzer gehörender Bürger. Doch neben dem juristischen Broterwerb, seiner Ehe (wunderbare Briefe an die Gattin) und der Vaterrolle ("Worte an meine Tochter") schrieb er unermüdlich im Urlaub in Thüringen und während "freigearbeiteter" Tage. Seine Texte sind voll tiefer jüdischer Gläubigkeit, geprägt von humanistischer, pazifistischer Weltanschauung und verfaßt in hoher Sprachkultur. Im Marbacher Literaturarchiv finden sich alle seine Werke, u.a. "Vom Glück in dir"," Der ewige Jude" (sein Hauptwerk), "Sonette an den Tod", seine Memoiren "Ich bin ein Mensch gewesen". In diesem Lebensrückblick schildert Paul Mühsam in fünf Bänden seine gutbürgerliche Existenz in einem wohlhabenden Görlitz voll Harmonie und Miteinander, dann 1933 die Verhaftung jüdischer Richter, Rechtsanwälte und Kaufleute mit demütigendem Marsch vom Postplatz bis zum Rathaus. Wir erleben als Leser mit, wie der stadtbekannte Notar sich 1933 nach Berufsverbot, Bücherverbrennung und Terror entschließt, Deutschland in Richtung Palästina zu verlassen. Er muss seinen gesamten Hausstand versteigern, dabei verschwindet die geliebte goldene Uhr seiner Frau Irma. In Haifa ist er, ohne hebräisch zu können, von der Literatur und der beruflichen Existenz getrennt. Er versucht, mit Briefmarkenverkauf und Gästezimmervermietung seine Existenz zu sichern und schreibt für die Schublade hektographierte (vervielfältigte) Texte. 1946 stirbt seine innig geliebte Frau in Jerusalem. Auch im Exil schreibt er weiter und weiterhin auf Deutsch. In seinen Schriften setzt er sich mit der jüdisch-christlichen Verständigung als zentrales Thema auseinander, wodurch er besonders in der Literaturszene, u.a. von Shalom Ben-Chorin und Stefan Zweig, sehr wertgeschätzt wird. Seine Erinnerungen werden von seiner Tochter Else Levi-Mühsam und dem Görlitzer Historiker Dr. Ernst Kretzschmar redigiert und herausgegeben. Die Tragik dieser Buchveröffentlichung: Die Lebenserinnerungen kommen 1989 auf den Büchermarkt in der DDR und in der BRD. Parallel dazu freuten sich die potenziellen Käufer über die Öffnung der Mauer, das Buch ging im Trubel unter. Paul Mühsam starb fast 14 Jahre nach seiner Frau am 11. März 1960 in Jerusalem. In Görlitz erinnert nur noch die Straße nach Kunnerwitz an ihn, die nach ihm benannt ist.